Der Trick mit der "Hauszinssteuer"

Ab 1914 bis in die Mitte der 1920er-Jahre litt die Berliner Bevölkerung unter den Folgen der Inflation. Das Geld verlor dramatisch schnell an Kaufkraft. Waren des täglichen Bedarfs wurden immer teurer und es mussten ständig neue Geldscheine gedruckt werden. Ein Laib Brot etwa kostete in Berlin im November 1923 über 5 Milliarden Mark. Diese Entwertung des Bargeldes traf die Armen besonders hart, da sie – anders als die Wohlhabenderen - über keine halbwegs wertstabilen Anlagen verfügten und auch die Mieten entsprechend stiegen. Die Politik musste handeln und beschloss ein System aus mehreren aufeinander abgestimmten Maßnahmen, mit deren Hilfe der öffentliche Wohnungsbau gefördert werden sollte.

Auf Konzepten des späteren Stadtbaurats Martin Wagner aufbauend, wurde daher 1924 die sogenannte Hauszinssteuer eingeführt. Mit dieser Steuerabgabe auf Erträge aus Wohnungsbau und -vermietung, wurden die von der Geldentwertung nur relativ wenig betroffenen großen Immobilienbesitzer und privaten Vermieter an der Finanzierung des am Gemeinwohl orientierten öffentlichen Wohnungsbaus beteiligt. Das Prinzip war einfach: Bei Neuvermietung von zusätzlich im Hinterhof erbauten Mietskasernen oder auch Mieterhöhungen in bestehenden Wohnungen griff die Politik einen Teil der Einnahmen ab und investierte sie teilweise in den öffentlichen Wohnungsbau.

Um den Sinn dieser Politik zu verstehen, muss man zwei Dinge wissen: Erstens, dass der Wohnungsbau Ende des 19. Jahrhunderts fast komplett in den Händen von vermögenden Investoren lag. Zweitens, dass Bau und Besitz von Immobilien zur Zeit der Inflation von 1914 bis 1923 die sicherste Geldanlage darstellten. Der Wert einer Immobilie blieb nämlich im Vergleich zu Bargeld oder Sparguthaben vergleichsweise stabil. Da Immobilienbesitz in Berlin jedoch nur in den besser gestellten Schichten üblich war, vergrößerte sich mit der Inflation automatisch auch die Kluft der zwischen eher armen und eher reichen Bewohnerschichten.


Aufgaben zum Thema

  • Aufgabe 1: Recherchiert die damalige Preisentwicklung für Waren des täglichen Bedarfs und überlegt, wie euch eine ähnliche Entwicklung heute treffen würde. Was wären heute mögliche Folgen in Politik, Gesellschaft und Familie?
  • Aufgabe 2: Auch im Bau mussten ab 1929 Kosten eingespart werden. Vergleicht die zu unterschiedlichen Zeiten entstandene Siedlungen und deren individuellen Bauabschnitte. Wo und wie wurden Kosten gespart?
  • Aufgabe 3: Vergleicht das etwa in Falkenberg umgesetzte Konzept von Reihen-, Einzel- oder Doppelhäusern mit Garten mit der Architektur der Wohnstadt Carl Legien. Wo und wie wurden hier Kosten gespart?
  • Aufgabe 4: Vergleicht die Wohnstadt Carl Legien mit dem ab 1957 entstandenen Hansaviertel – welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es?
Geldschein aus dem Jahr 1924, Quelle: Wikimedia, gemeinfrei
Typische Berliner Hinterhöfe im Luftbild, Quelle: Berliner Senatsverwaltung