Das Prinzip der "Gläsernen Kette"

Unter den Architekten, Gestaltern und Stadtplanern der 1920er-Jahre wurden die Grundlagen und Anforderungen des Neuen Bauens in verschiedenen Foren intensiv diskutiert. Hierbei nahmen auch einige Architekten der Berliner Welterbe-Siedlungen eine führende Rolle ein. Eine nicht ungewöhnliche Form des Austauschs war das Schreiben von Briefen. Der wohl berühmteste Briefwechsel ist die "Gläserne Kette", eine Art Kettenbrief bei dem die Briefeschreiber zum Teil nur unter Pseudonym auftraten.

Die Gruppe wurde 1919 von Bruno Taut (Pseudonym "Glas") ins Leben gerufen. Unter den beteiligten Architekten befanden sich Walter Gropius ("Maß") und Hans Scharoun ("Hannes"). Daneben gab es aber auch einige weniger prominente, aber trotzdem maßgebliche Protagonisten wie etwa den deutsch-böhmischen Künstler Wenzel Hablik (Kürzel "W.H."). Man tauschte untereinander nicht nur Briefe sondern auch Handskizzen und Grafiken mit utopischen Architektur-Visionen aus, die oft auch Ausdruck eines radikal anderen Modells des Zusammenlebens waren. Die "Kette" funktionierte so, dass jeder auf vorherige Beiträge Bezug nahm, um dann eigene Ideen einzubringen oder auch die Ideen der anderen weiterzuentwickeln. Neben der Gläsernen Kette gab es noch einige weitere einflussreiche Zusammenschlüsse von Architekten und Gestaltern, die sich untereinander austauschten und sich bemühten, die Gesellschaft für gestalterische Themen zu interessieren. Unter ihnen sind vor allem die "Novembergruppe", der "Arbeitsrat für Kunst", der Deutsche Werkbund und die Architektenvereinigung Der Ring zu nennen. Eine solche Fortschreibung anderer Ideen ist natürlich in vielen Bereichen anwendbar und generell ein interessantes Konzept für die Arbeit in der Gruppe.


Aufgaben zum Thema

  • Aufgabe 1: Entwickelt selbst eine "Gläserne Kette" mit eigenen Ideen oder auch Entwürfen einer ganz neuen Art von Architektur oder Design, die ihr an Freunde weitergebt, damit sie diese weiterspinnen. Dies kann in Papierform oder auch digital erfolgen. Nicht umsonst erinnert diese Art des Briefwechsels ja heute ein wenig an einen, nach bestimmten Regeln und mit kreativem Anspruch gestarteten WhatsApp-Chat mit angehängten Dateien.
  • Aufgabe 2: Viele der Protagonisten des Neuen Bauens haben umfassend publiziert und so ihr Umfeld zu neuen Ideen inspiriert. Im heutigen Sprachgebrauch würde man einige daher vermutlich als "Influencer" bezeichnen. Vergleicht die damals verfügbaren Medien mit den heutigen technischen Möglichkeiten. Wo gibt es strukturelle Unterschiede?
  • Aufgabe 3: Aus rechtlichen Gründen können wir hier keine einzelnen Skizzen zeigen. Wer ein wenig googlet, findet aber trotzdem einige Abbildungen. Macht euch auf die Suche und vergleicht etwa die oben gezeigte Skizze Wenzel Habliks mit dem "Pavillon der Glasindustrie", den Bruno Taut zu Werkbund-Ausstellung von 1914 entwarf.
Cover des Katalogs zu einer Ausstellung in der Akademie der Künste. Weitere Abbildungen sind aus rechtlichen Gründen leider nicht möglich.
Cover eines Faltblatt zu einer Sonderausstellung zu Leben und Werk von Wenzel Hablik, die 2018 im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt wurde.