Architektur und Emanzipation

Zur Jahrhundertwende herrschten noch sehr klare Rollenbilder. Die Zuständigkeit für Kinder, Küche und Haushalt wurde klar bei den Frauen gesehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte – im Zuge der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen – auch bei einigen der damals meist männlichen Planer ein erstes Umdenken ein. In diesem Zusammenhang wurde auch die Gestaltung von Küchen und Arbeitsräumen zu einem Gradmesser und Labor des sozialen Fortschritts und der Emanzipation. Mit dem Design einer Küche verbindet sich nämlich die Frage, welche Wertschätzung der Hausarbeit beigemessen wird – sowie von wem und auf welche Weise diese verrichtet werden soll. Hierbei lohnt sich besonders der Vergleich der Konzepte des "Einküchenhauses", der berühmten "Frankfurter Küche" und der unter Leitung von Bruno Taut und Franz Hillinger entwickelten "GEHAG-Küche". Diese ist zwar in keiner der hier detailliert beschriebenen sechs Welterbe-Siedlungen damals verbaut worden. Sie wurde jedoch für die Waldsiedlung "Onkel Toms Hütte" entwickelt, die in vielen Punkten (wie etwa Grundrissen und Bauteilen) eng auf den Entwürfen zur Hufeisensiedlung aufbaut. Ein Exemplar der GEHAG-Küche ist daher heute in der Ausstellung in der Infostation Hufeisensiedlung installiert. Ein Exemplar der Frankfurter Küche findet sich zum Beispiel im Berliner Werkbund-Archiv.

Exemplar der GEHAG-Küche im Ausstellungsbereich der Infostation Hufeisensiedlung, Foto: BB