Waldsiedlung "Onkel Toms Hütte"

Die Waldsiedlung Zehlendorf ist nicht nur eine der bekanntesten, sondern mit rund 1.900 Wohneinheiten auch eine der größten und gestalterisch abwechslungsreichsten Siedlungen der 1920er-Jahre in Deutschland. Sie gilt als eines der Hauptwerke Bruno Tauts, ist aber nicht dessen alleiniges Werk. Das Ensemble liegt am U-Bahnhof "Onkel Toms Hütte", was auch ihren etwas irritierenden Beinamen erklärt, der aber seinerseits auch eine verworrene Geschichte hat und nur indirekt auf den berühmten 1852 veröffentlichten Roman von Harriet Beecher Stowe und dessen fiktive Hauptfigur eines afroamerikanischen Sklaven zurückgeht.

Die weitläufige Anlage wurde 1926–31 in sieben Bauabschnitten errichtet. Neben Bruno Taut, dem Chefarchitekten der GEHAG, waren die Architekten Hugo Häring und Otto Rudolf Salvisberg sowie der Gartenarchitekt Leberecht Migge beteiligt. Bei Oberaufsicht lag bei dem seit 1926 amtierenden Stadtbaurat Martin Wagner. Die Ende der 1970er-Jahre gestartete denkmalfachliche Untersuchung der Waldsiedlung Zehlendorf durch die Architekturwerkstatt Pitz-Brenne war der Startpunkt für eine Reihe von denkmalfachlichen Untersuchungen und ersten fundierten Restaurierungsarbeiten. Entgegen der Erwartung vieler Fachleute, war die sich gut in die natürliche, waldartige Umgebung integrierende Siedlung nicht Teil des Berliner Welterbe-Antrags, wurde aber 2021 vom Land Berlin als siebte Siedlung nachnominiert. Dieser Vorschlag hat die Kultusministerkonferenz überzeugt und ist somit Teil der nationalen Vorschlagsliste an die UNESCO.

Einer nachträglichen Aufnahme (auch Arrondierung genannt) werden gute Chancen eingeräumt, handelt es sich bei der Waldsiedlung Zehlendorf doch um eine der ersten Anlagen, deren städtebaulicher Entwurf gezielt auf die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr eingeht indem die Funktionen Wohnen und Einkaufen mit dem alltäglichen Weg zur Arbeit verbunden werden. Das zeigt sich daran, dass die 1929 in Betrieb genommene Trasse der Linie U3, ab 1931 auf beiden Seiten durch eine von Otto Rudolf Salvisberg geplante überdachte Ladenpassage gesäumt wird. Die dort untergebrachten Gewerbeeinheiten bieten eine für Pendler komfortable Nahversorgung. Das war in dieser Form ein Novum im öffentlichen Wohnungsbau, welches zwar das Konzept ähnlich konzipierter Platzanlagen (etwa am S-Bahnhof der Villen- und Landhauskolonie Frohnau oder dem Vorplatz des S-Bahnhofs Lichterfelde-West) aufnimmt, die Gestaltung der Ladenlokale aber noch stärker in die Formensprache der Moderne integriert.

Weitere Argumente für die Integration ins bestehende Welterbe sind, die sensible planerische Einbettung der Bauten in den waldartigen, durch Kiefern dominierten Baumbestand des Areals sowie der hoch virtuose Einsatz von Farbe, speziell in den von Bruno Taut entwickelten Bauabschnitten I, III, IV, V, VI, VII.

Ein Hauptgrund für die damalige Nicht-Nominierung waren die zahlreichen nicht denkmalgerechten Umbauten an den bereits frühzeitig (bereits vor der Eintragung der Anlage als Ensemble-Denkmal) in privates Einzeleigentum umgewandelten Reihenhäusern Tauts im Nordteil des Ensembles. Anders als die nördlichen Reihenhäuser befinden sich die von Taut, Häring und Salvisberg entworfenen Geschosswohnungsbauten der Waldsiedlung jedoch in einer Hand. Nach einer Reihe von Übernahme des einstigen GEHAG-Portfolios an der Börse, wurden sie von der Deutsche Wohnen SE übernommen, welche als neue Haupteigentümerin des Ensembles in den 2010er-Jahren die Geschosswohnungsbauten erneut flächendeckend restaurierte.

Wegen ihrer markanten, nur vermeintlich willkürlichen Farbigkeit wurde die Waldsiedlung Zehlendorf von der Berliner Bevölkerung bereits zur Bauzeit auf den Namen "Papageiensiedlung" getauft – eine Bezeichnung, die später auch von den Nationalsozialisten aufgegriffen wurde, aber heute wie damals sehr wesentlich zur positiven Identifikation der Bewohnerschaft mit ihrer Siedlung beiträgt. Betrachtet man die Gestaltung, Farb- und Formgebung einzelner Bauteile und Grundrisse weist das Zehlendorfer Ensemble viele Parallelen zu der etwas früher begonnenen und etwa gleich großen Britzer Hufeisensiedlung auf, von der zahlreiche Bauteile, Module und Grundrisse übernommen wurden.

Waldsiedlung Zehlendorf, Foto: BB
Übersicht der Bauabschnitte I-VII, mittig im Bild ist die Trasse der Linie U3 zu sehen. (Planvorlage: Brenne Architekten)