Hauszinssteuer

Die im Jahre 1924 – vier Jahre nach dem Zusammenschluss Groß-Berlins – eingeführte Hauszinssteuer geht zurück auf Ideen, die der spätere Stadtbaurat Martin Wagner bereits 20 Jahre vorher entwickelt hatte. Mit Einführung dieser Steuer, passte die Regierung dessen Ideen an die gegebene Situation an und schuf so ein wichtiges Instrument, um trotz leerer Kassen den Wohnungsbau voranzutreiben. Mit der Steuerabgabe auf Erträge auf dem Wohnungsmarkt, wurden auch die von der Geldentwertung nur wenig betroffenen privaten Vermieter an der Finanzierung des öffentlichen Wohnungsbaus beteiligt. Die Politik verpflichtete sich, einen festen Anteil dieser Steuereinnahmen in den öffentlichen Wohnungsbau zu investieren. Um dessen Art und Qualität zu steuern, wurden Förderkriterien und Mindeststandards definiert. Diese Politik wurde vor allem vom linken Parteienspektrum begrüßt und getragen, da man so dem wachsenden Einkommensgefälle zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen entgegentreten konnte.

Um diesen Effekt zu verstehen, muss man zwei Dinge wissen: Zum einen, dass der Wohnungsbau des ausgehenden 19. Jahrhunderts fast komplett in den Händen von vermögenden Grundstücksbesitzern und Investoren lag. Zum anderen, dass sich der Bau und Besitz von Immobilien in Zeiten der Inflation als überdurchschnittlich sichere Geldanlage erwies. Der Wert der Immobilien blieb in der Inflation zwischen 1914 und 1924 nämlich im Vergleich zu den rapide an Kaufkraft verlierenden Bargeld und Spareinlagen relativ stabil. Umgekehrt wurde der rapide schwindende Wert des Bargelds aber schnell zum Problem, wenn die Miete fällig wurde. Da Immobilienbesitz in Großstädten wie Berlin meist nur in den wohlhabenden Gesellschaftsschichten üblich war, vergrößerte sich so die Kluft zwischen armen und reichen Bevölkerungsschichten rasant. Aus dieser Erfahrung heraus gelten Haus- und Grundbesitz noch heute meist als die sicherste Geldanlage und werden oft auch als "Betongeld" bezeichnet.

Ihre volle Wirkung entfaltete die Hauszinssteuer erst in der Kombination mit zwei weiteren Maßnahmen: erstens mit der Gründung von Wohnungsbau-Gesellschaften und zweitens mit der Einführung von Mindeststandards, die für alle durch die Steuer finanzierten Neubauprojekte galten. Der Grundgedanke war simpel: Gefördert wird nur, was auch gut ist. Und was gut ist, wird vorher vom Staat verbindlich festgelegt. Eine Finanzierung aus Erlösen der Hauszinssteuer kam nur den Bauprojekten zugute, die vorab festgelegte Anforderungen an Wohnungsgrößen und -grundrisse auch erfüllten.


Quelle: Schmidthuysen, Fritz. “Die Entwicklung der Wohnungsbauabgabe und des Geldentwertungsausgleichs bei bebauten Grundstücken (Hauszinssteuer) in Deutschland.” FinanzArchiv / Public Finance Analysis, vol. 45, no. 1, 1928, pp. 162–255. JSTOR, www.jstor.org/stable/40907713. Accessed 6 Jan. 2020.