Gartenstadt > Bewegung

Das Konzept der "Gartenstädte" geht auf den Briten Ebenezer Howard zurück, der zur Jahrhundertwende sein zunächst nur auf Englisch erschienenes Werk "Garden Cities of to-Morrow" publizierte. [Anm.: der vermeintliche Schreibfehler ist Teil des Originaltitels] Sein Ziel war es, den steigenden Grundstückspreisen und schlechten Wohn- und Lebensbedingungen der Innenstädte etwas entgegenzusetzen.

Unter dem Eindruck des rasanten Stadtwachstums britischer Industriestädte und der Bildung erster Slums am Stadtrand schlug Howard vor, stattdessen etwas abseits der Großstädte neue kleinere bis mittelgroße, aufgelockerte Siedlungen im Grünen zu errichten. Hierzu erarbeitete er ein spezielles Schema einer Gartenstadt, das als Modell zur deren räumlicher Organisation dienen sollte. Parallel sollte der Besitz von Grund und Boden vom Start weg genossenschaftlich organisiert sein. Diese Maßnahme sollte Spekulationsgewinnen bei Umwandlung von Ackerland zu Bauland vorbeugen und dafür sorgen, dass auch die weitere Entwicklung und Bewirtschaftung dauerhaft am Geweinwohl ausgerichtet wird. Alles Geld, was durch die Umwandlung in Bauland entsteht und welches nicht zur Bezahlung von Kredite und Zinsen gebraucht wir, sollte wieder der Gemeinschaft zugutekommen und dafür verwendet werden, notwendige Pflege- und Unterhaltskosten zu tragen. Außerdem sollte ein Fonds für gemeinnützige Zwecke (etwa Alters-, Kranken- und Unfallversicherungen) eingerichtet werden.

Nach Erscheinen der Schrift Howards wurden in England dann rasch tatsächlich erste "Gartenstädte" gegründet. Als erste echte Gartenstadt gilt die 1903 gegründete "Letchworth Garden City" nördlich von London. Schnell wurde Howards Buch auch ins Deutsche übertragen und traf bei vielen deutschen Sozialreformern, Grün- und Städteplanern auf überaus großes Interesse. Schon bald entwickelten sich die Ideen Howards zu einem einflussreichen Leitbild des reformorientierten Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung des frühen 20. Jahrhunderts. Sowohl in England als auch in Deutschland wurden eigene "Gartenstadt-Bewegungen" gegründet, die Howards Ideen konkret umsetzen sollten und eigene, regional abgewandelte Kriterien entwickelten. Die ersten prominenten deutschen Gartenstädte waren Dresden-Hellerau und Essen-Margarethenhöhe.

Auch in Berlin, der Stadt der Mietskasernen, wurde der Slogan Licht, Luft und Sonne populär. Er vereinte ebenfalls viele Ideale der Gartenstadt-Idee und man versuchte sie auf die Berliner Verhältnisse zu übertragen. Die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft (DGG) gründete sich 1902. In Ihren Statuten findet sich folgende Kurzdefinition: „Eine Gartenstadt ist eine planmäßig gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände, das dauernd in Obereigentum der Gemeinschaft gehalten wird, derart dass jede Spekulation mit dem Grund und Boden unmöglich ist.“

Eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Berliner Gartenstädte spielten dabei die beiden reformorientierten Gartenarchitekten, die auch beim Bau der Welterbe-Siedlungen beteiligt waren: Leberecht Migge entwarf (gemeinsam mit Bruno Taut und Martin Wagner) die gartenstadtähnliche Siedlung am Lindenhof in Berlin-Schöneberg.

Sein Kollege Ludwig Lesser entwarf die Freianlagen der Gartenstadt Falkenberg sowie der Gartenstadt Staaken in Berlin-Spandau. Außerdem entwarf er die Grünanlagen und Freiräume der städtebaulich ähnlich angelegten "Gartenstadt Frohnau". Ihre Entwicklung durch die Berliner Terrain-Centrale war jedoch nicht genossenschaftlich getrieben, so dass man hier streng genommen eher von einer "Villen- und Landhaus-Kolonie" sprechen sollte.

Weitere Berliner Anlagen mit dem Charakter einer Gartenstadt sind etwa die – von Bruno Taut geplante – Siedlung "Freie Scholle" in Berlin-Reinickendorf, die "Gartenstadt Neu-Tempelhof "(auch bekannt als "Flieger-Siedlung") oder auch die Bauten rund um den Rüdesheimer Platz sowie die Villen- und Landhauskolonie Lichterfelde-West.

Szene in der Gartenstadt Falkenberg, Quelle: Privatarchiv Katrin Lesser