Mietskasernen

Aufgrund der als wenig mieterfreundlich empfundenen Gestaltung genossen die zur Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts zur Kaiserzeit in großer Zahl errichteten "Mietskasernen" einen schlechten Ruf. Es handelte sich meistens um fünfgeschossige Gebäude, die von privaten Investoren in günstiger Bauweise errichtet wurden. Sie befanden sich im Inneren einer sogenannten Blockrandbebauung. Darunter versteht man nahtlos aneinandergereihte Gebäude, welche die kompletten Fronten eines ganzen Straßenblocks einnehmen. Hinter den zu Straße hin ausgerichteten, oft repräsentativ gestalteten "Vorderhäusern" gab es früher oft Gärten oder weitere Freiflächen, die im Zuge der Wohnungsnachfrage immer dichter bebaut wurden, weil man so mehr Miete kassieren konnte.

Diese Art der Bebauung beruhte im Wesentlichen auf dem 1862 von James Hobrecht festgelegten Bebauungsplan und dominiert bis heute das Bild von traditionellen Arbeitervierteln wie Moabit, Wedding, Kreuzberg, Neukölln, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg. Das Innere dieser meist ziemlich großen Straßenblocks wurde über mehrere, dicht hintereinander folgende Höfe erschlossen. Eine typische Berliner Mietskaserne verfügt also über ein bis zwei deutlich billiger und enger erbaute Seitenflügel, mit ebenfalls fünfgeschossiger Bauweise. Verfügt der Bau über mehrere Hinterhöfe, folgt dann ein Quergebäude, nach dem der jeweils nächste Hof folgt, wo sich das Schema dann entsprechend wiederholt. Gemäß den juristischen Vorgaben durfte diese nachträgliche Bebauung sehr eng geschehen. Das bedeutete konkret, dass ein Hinterhof rechtlich nicht mehr als knapp fünfeinhalb Meter breit sein muss, da dieses Maß genügte, damit eine pferdegezogener Feuerwehrkarren dort wenden konnte.* Bei ein oder zwei Geschossen würde man das nicht unbedingt als eng empfinden. Allerdings verfügen die meisten Wohnhäuser über fünf Geschosse und sind damit im Schnitt etwa 22 Meter hoch.

In den Hinterhöfen, in Kellern und Kleinwohnungen der so genannten "Mietskasernen" lebte die Arbeiterbevölkerung auf engstem Raum. Nicht selten teilten sich mehrere Schichtarbeiter ein und dieselbe Schlafpritsche passend zu Ihren Arbeitszeiten. Ganze Familien lebten auf wenigen Quadratmetern und unter für heutige Verhältnisse schwer vorstellbaren hygienischen Verhältnissen. So waren die vor allem in den Arbeiterbezirken wie etwa Neukölln, Wedding oder Prenzlauer Berg klassischen Berliner Hinterhofswohnungen nur unzureichend sanitär ausgestattet. Rund 20% der Wohnungen hatten keinen eigenen Wasseranschluß, 34% keine eigene Toilette und rund 72% kein eigenes Bad. Nahezu alle Wohnungen waren zudem der grassierenden Mietspekulation anheim gegeben und nur eine geringe Zahl vermögender Bürger konnte es sich leisten, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Die deutliche Mehrheit von rund 96% aller Bewohner/innen Berlins lebte zur Miete, in rund 34% aller Wohnungen gab es weitere Untermieter/innen.


Die "Mayerschen Höfe" in Berlin Wedding, eine typische Berliner Situation mit mehrfach gestaffelten eng bebauten Hinterhöfen, Aufnahme um 1910, Foto: Willy Römer, Quelle: Wikimedia / Kunstbibliothek SMB, Photothek Willy Römer, gemeinfrei