Gartenstadt Falkenberg (1913–16)
Stories zur Gartenstadt Falkenberg
01Tauts "Tuschkasten"
Bei der Planung der Falkenberger Siedlung setzte der Architekt Bruno Taut ganz besonders auf Farben – eine Methode die später zu einem seiner Markenzeichen wurde. Die intensive Farbgebung ermöglichte es ihm, den Häusern der Siedlung kostengünstig sowohl eine individuelle Erscheinung als auch ein übergreifendes Konzept zu geben. Bei der Entstehung der Siedlung hatte es aber zunächst nicht nur positive Stimmen gegeben. Tauts farbige Fassaden wurde aus konservativeren Kreisen stark kritisiert. Ihnen war es zu bunt. Deswegen forderten die Gemeindevorstände von Alt-Glienicke und Grünau, Verordnungen gegen die „Verunstaltung“ zu erlassen. Tatsächlich trugen die außergewöhnlichen Farben jedoch erheblich zum Bekanntheitsgrad der Siedlung bei und führten auch innerhalb der Bewohnerschaft zu einer hohen Identifikation. Taut selbst schrieb dazu: „Meine Siedlung Falkenberg, deren farbigster zweiter Bauabschnitt im ersten Kriegsjahr fertig wurde, wurde nach einem gutgemeinten Witz eines Kindes der dortigen Häuser im ‚Berliner Tageblatt‘ ‚Kolonie Tuschkasten‘ getauft und eifrig unter diesem Namen bespöttelt … Die Bewohner der ‚Kolonie Tuschkasten‘ reagierten bald anders. Sie mussten freilich auch erst die graue Steinwüste Berlins von sich abschütteln. Aber schon beim Anstrich fing mich ein Bewohner eines Hauses, das ich aus künstlerischen Gründen grau lassen wollte, ab und bat mich dringend: ‚soll denn mein Haus grau bleiben?“
Eine andere überlieferte Geschichte besagt, dass die Maler beim Anstrich der Fassaden unter sich von der „Siedlung Tuschkasten“ sprachen. Egal welche der Geschichten stimmt, der Name „Tuschkasten“ hat sich auf jeden Fall gehalten. Mit der Sanierung zwischen 1992 und 2003 erstrahlen die Häuser der „Tuschkastensiedlung“ auch wieder in ihrer ursprünglichen Farbigkeit.
01Achtung, Berliner Schnauze
In der Ringsiedlung Siemensstadt befindet sich eine Gebäudezeile Otto Bartnings, welche in weitem Bogen parallel zur Bahntrasse verläuft. Sie wurde von den Berlinern auf den Namen Der Lange Jammer getauft. Man kritisierte, dass Bartning die Monotonie der Mietskasernen nur durch eine moderne Variante ersetzt hätte.
Ein ähnlicher Bau befindet sich in der Hufeisensiedlung, die Taut im Auftrag der politisch links stehenden Wohnungsbaugesellschaft GEHAG entwarf. Hier wurden die zur Abgrenzung beider Siedlungsteile dienende Zeile gleich mit zwei sprechenden Namen bedacht. Hier sprach man wahlweise von der Roten Front oder der Chinesischen Mauer.
Auch in der Waldsiedlung "Onkel Toms Hütte" in Berlin-Zehlendorf erforderte die Lage einen ähnlich lang gestreckten Bau. Hier entwarf Taut ein Gebäude, das sogar noch ein wenig länger ist. Und auch hierfür fanden die nicht auf den Mund gefallenen Berliner/innen einen geeigneten Namen und bezeichneten die Zeile als den Peitschenknall.
Und natürlich sorgte auch die für Taut typisch intensive Farbigkeit für entsprechende Namens-Kreationen: Die Gartenstadt Falkenberg wurde Kolonie Tuschkasten genannt. Die Waldsiedlung Zehlendorf erhielt hingegen den Beinamen Papageien-Siedlung.
02Falkenberger Feste
Nicht nur bei der Bewohnerschaft, sondern in ganz Berlin interessierten sich bestimmte Kreise für die Falkenberger Sommerfeste. Bis zu zehntausend Feierfreudige kamen zwischen 1914 und 1934 jeden Sommer in der Gartenstadt zusammen. Mit den Vorbereitungen begann die Siedlergemeinschaft bereits im Winter des Vorjahres, obwohl die Feierlichkeiten erst am ersten Sonntag im Juli stattfanden. Die Turn-, Gymnastik- und Musikgruppen der Siedlung präsentierten während der Tage Lieder, Gedichte und Theaterstücke auf der Freiluftbühne der Siedlung. In den 1920er-Jahren bekamen sie eine immer stärker werdende avantgardistische Ausrichtung. Die Feste waren geprägt durch den engen Kontakt zu der als besonders progressiv geltenden Volksbühne sowie den Verbindungen zum Friedrichshagener Dichterkreis. Bei den Festumzügen liefen Marsmenschen, Dadaisten, Verkäufer von Wilhelminischen Zöpfen und andere bunt gemischte Gruppen. Dichter wie Erich Weinert trugen ihre Werke vor und Besuchende konnten den umstrittenen, sowjetischen Film Panzerkreuzer Potemkin in seiner ersten deutschen Freiluft-Aufführung sehen. Zu DDR-Zeiten lebte die Tradition der Sommerfeste in der Siedlung nach längerer Pause wieder auf.
05Meister des farbigen Bauens
Bruno Taut wird oft als „Meister des farbigen Bauens“ bezeichnet. Warum das so ist, lässt sich speziell in der als Frühwerk geltenden Gartenstadt Falkenberg deutlich ablesen. Taut, der als junger Mann auch überlegt hatte, den Beruf des freien Künstler zu ergreifen, benutzte Farben um fröhliche Heiterkeit zu verbreiten, um Räume und Fassaden besser zu gliedern und so ein möglichst abwechslungsreiches Erscheinungsbild seiner Bauten zu erzeugen. Die Reihen- und Mehrfamilienhäuser werden durch die Farbe zu Paaren und Serien zusammengefasst. Einzelne Bauteile – wie Hauseingänge, Fensterläden, Pergolen oder Rankhilfen sind oftmals farblich abgesetzt. Auch für die Treppenhäuser und Innenräume bevorzugte Taut intensive Farben. Diese im Bereich der Architektur absolut unübliche, teilweise mit markanten geometrischen Mustern arbeitende Farbgestaltung fügt sich dabei ein in die Kunstbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts, wie etwa den expressionistischen Malereien aus dem Umfeld des "Blauen Reiters" oder der „Brücke“. Im Kontext der Architektur, spricht Taut der Farbe jedoch nicht nur eine dekorative sondern auch raumbestimmende Funktion zu: „Da die Farbe die Fähigkeit hat, die Abstände der Häuser zu vergrößern oder zu verkleinern, den Maßstab der Bauten so oder so zu beeinflussen, sie also größer oder kleiner erscheinen zu lassen, die Bauten mit der Natur in Zusammenhang oder in Gegensatz zu bringen und all dergleichen Mehr, da die Farbe also gar nicht anders als die Backsteine des Bauwerkes oder das Eisen und der Beton des Skelettbaus aus dem Bauvorgang auszuschalten ist, so muß auch mit ihr ebenso logisch und konsequent wie mit dem anderen Material umgegangen werden.“
Um Ideen wie diese zu verbreiten, betätigte sich Taut auch als Autor und Publizist. Er engagierte sich als Meinungsbildner in verschiedenen einflussreichen Bewegungen, wie etwa dem Arbeitsrat für Kunst, der Novembergruppe oder dem Deutschen Werkbund.
06Projekt "Neue Gartenstadt"
Um die bestehende Siedlung den heutigen Anforderungen entsprechend gestalterisch sensibel weiterzuentwickeln, rief der Berliner Senat 1993 eine Expertenwerkstatt aus. Ziel war es, Grundsätze für eine neue Interpretation der Gartenstadtidee in Anlehnung an die bereits existierenden Bauten des Architekten Bruno Taut zu entwickeln. Dies wurde auch von der heute als Eigentümerin agierenden Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG unterstützt und vorangetrieben. Es folgten weitere Entwurfswettbewerbe. In vier Bauabschnitten entstand schließlich zwischen 2001 und 2014 die "Neue Gartenstadt Falkenberg". Ein besonderer Fokus lag auf dem umweltgerechten Bauen. Dies wurde durch die Verwendung von Decken- und Bodenheizungen sowie den Einsatz von Erdwärme umgesetzt. Auch die Idee eigener Gärten sowie gemeinschaftlich nutzbarer Grünflächen wurde teilweise beibehalten. Insgesamt realisierte die Genossenschaft – die benachbarten Siedlung Paradu mitgerechnet – 500 neue Wohnungen am Falkenberg. Die Einbindung der Bewohnerschaft soll durch den 1990 gegründeten Siedlungsausschuss und die regelmäßig stattfindenden Siedlungsfeste gefördert werden.